Chengdu, Volksrepublik China

Newsletter #11

12. Dezember 2001

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Liebe Daheimgebliebene,

unsere dieswoechige Folge von "Harry im Glueck" heisst "Harry in Chollywood" (Chinese Hollywood) und handelt von einem kleinen Maennchen im Land, wo die Leute der einen Seite der Stadt den Dialekt von den Leuten der anderen Seite der Stadt nicht verstehen koennen.

Es war wohl letzten Montag, als ein Vertreter einer in Chengdu ansaessigen Star-Agentur in unser schoenes Studentenwohnheim kam, um fuer einen Werbefilm geeignete auslaendische Kandidaten zu sichten. Wie der Zufall es nun einmal so wollte, kam ich gerade durch die Eingangshalle geschlendert, als man mich erblickte und mich fragte, ob ich Interesse haette bei einem Werbefilm mitzuwirken. Natuerlich war ich interessiert und erkundigte mich systematisch (siehe Newsletter #2) nach Bezahlung, Datum und Spesen. Die Bezahlung war etwa 400 Mark (das geht fuer chinesische Verhaeltnisse), das "Shooting" sollte am kommenden Wochenende stattfinden und ich wuerde in einem chinesischen 5 Sterne Hotel (vergleichbar mit 3 westlichen Sternen?jzwei Tage lang wohnen koennen und alles Essen von der Produktionsfirma bezahlt bekommen. Ausserdem wuerden noch zwei Studentinnen aus dem Wohnheim mitkommen (darunter auch die huebsche blonde Schwedin...). "Prima" dachte ich, das ist doch mal leicht verdientes Geld ohne Haken.

Aus purem nebensaechlichem Interesse erkundigte ich mich daraufhin noch nach dem zu bewerbenden Produkt. Die Antwort war natuerlich "bai jiu"... also hochprozentiger Alkohol - eine sehr beruehmte und teure Marke. Spitze, das war doch mal genau das Richtige fuer so einen 'alten Schnapstrinker' wie mich (Igitt!).

Fuenf Tage spaeter fand ich mich mit der Schwedin und einer Polin auf der Rueckbank eines Kleinbusses wieder und wir fuhren auf dem chinesischen Highway drei Stunden lang in die sichuanesische Hauptstadt des Alkohols, nach Yibin. Dort stiegen wir im besten Hotel ab. Es hiess "Zur Schnaps-Metropole" und so war auch die Stimmung da: alle total bescheuert ! Nachts klopft es an meine Tuer und ein super-aufgemotztes Flittchen fragt ob ich eine Massage will. Natuerlich wollte ich keine...

Am naechsten Morgen ging es nach einem typisch scharfen Sichuan-Fruehstueck zur Alkohol-Fabrik. Die Alkohol-Fabrik - ein volkseigener Staatsbetrieb wie aus dem Bilderbuch - war natuerlich super imposant und strotzte vor kommunistischer Herrlichkeit. Alles im Ueberfluss, vorallem aber Menschen und architektonischer Groessenwahn. Wo sonst gibt es schon ein 40 Meter hohes Gebaeude, dass so aussieht wie das Firmenlogo, welches grosse Aehnlichkeit mit dem Mercedes-Stern besitzt.

Wir wurden ausgeladen und vom gesamten Filmteam, welches extra aus Peking angereist war, begruesst. Man fuehrte uns zum "Set". Dort ward ein riesiges Bankett mit vielen Menschen insziniert, bei dem natuerlich massenhaft Schnaps getrunken wurde und zwischendrin standen die Filmleute mit ihrer Kamera und drehten den ganzen Tag ueber einzelne Szenen fuer den spaeteren Werbefilm. Sie konzentrierten sich dabei auf Chinesen wie sie feiern, Chinesen wie sie essen aber vorallem auf Chinesen wie sie trinken, und...

...einen bestimmten Auslaender und seine beiden Schnecken. Ja genau, kommen wir doch mal zu meiner Rolle. Wir sassen also an einem grossen runden Tisch mit Chinesen und anfaenglich wurde die illustere Gesellschaft im Ganzen gefilmt, also beim Zuprosten und Trinken. Leider verweigerte mir der Mundschenk permanent das Glas nur mit Wasser zu fuellen, also musste ich mehrmals hintereinander den puren Dreck runterkippen. Ich war bereits froh, dass die Aufnahmen endlich beendet waren, als der Regisseur durch sein Megaphon bruellte: "Und jetzt kommen wir zu den Aufnahmen mit Huofuman !". "Na ganz toll" dachte ich, jetzt geht's los...

Bei der ersten Aufnahme sass ich auf der einen Seite des Tisches, waehrend auf der anderen Seite ein Chinese (zufaellig der stellvertretende Generaldirektor des Konzerns) sass und mir freundlich den 'reinen Wein' einschenkte, waehrend ich, nach einem respektvollen 'Danke-Nicken' in Richtung Gastgeber, anschliessend freudig in die Kamera gucken sollte, einmal verschmitzt mit dem Auge zwinkern und dann das Glas leeren sollte. Soweit so beknackt...

Etwa nach dem fuenften Versuch (inklusive Glas-EXen) war der Regisseur endlich zufrieden mit den Aufnahmen und mir wurde richtig warm ums Herz, waehrend meine Augen langsam aber sicher zuklappten. Zu meiner unendlichen Begeisterung kam danach noch eine weitere Szene mit 'Huofuman', diesmal aber ohne stoerende Chinesen im Bild. Nur ich, die Kamera und ein Glas Getreide Schnaps. Die Aufgabe war eigentlich recht einfach und dementsprechend erklaerte mir 'Steven Spielberg' auch was ich zu tun hatte: "Huofuman, singe zuerst ein Lied und kipp' dann den Scheiss runter"...

Ich kann mich noch genau an die Gesichter der beiden westlichen Mitstudentinnen erinnern, als 'Huofuman' allein vor ueber hundert Leuten in einer riesigen Banketthalle nach dem sechsten Versuch (immer noch inklusive Glas-EX) schief 'Happy Birthday' anstimmt und sich anschliessend, gefolgt von einem angewiderten Schauer, den Schnaps reinhaut...

Tja, - an den Rest erinnere ich mich kaum und bin eigentlich eben erst aus meiner Bewusstlosigkeit aufgewacht, um diese Mail zu schreiben. Es war ein harter Job, aber es musste nuneinmal gemacht werden - natuerlich im Interesse der Voelkerverstaendigung. Und was ein richtiger Deutscher (=chinesisch fuer Alkoholiker) ist, der steht soetwas eben durch wie ein Mann. Wie wuerde mein aus der Pfalz stammender Freund Marco Fried jetzt sagen: "Einfach neigraetsche"...

Soviel zu meinem letzten Wochenende und meiner geheimen Leidenschaft, dem chinesischen Hochprozent. Allen, die sich in den naechsten Monaten in der Volksrepublik zu China aufhalten sollten, empfehle ich einen gelegentlichen Blick in die "nach-neun-Uhr-abends" Fernsehwerbung. Unter Umstaenden wird man da das ein oder andere bekannte betrunkene Gesicht wiedererkennen koennen.

Na denn Prost,

Harry